50 JÄHRIGES JUBILÄUM

Artikel zum 50jährigen Firmenjubiläum von Rittmannsperger Architekten aus dem Darmstädter Echo

DARMSTADT – Man sieht es dem eher bescheiden wirkenden, weiß verputzten Neubau im Herzen von Bessungen nicht an, doch von hier aus werden Vorhaben von Weltrang gesteuert. Rittmannsperger Architekten: Das ist eine Adresse, an die sich Städte, Bundesländer und Kirchenverbände wenden, wenn der Dom erneuert werden soll, das Barockschloss erweitert oder die gesamte Altstadt gerettet werden muss. Oder, wie jetzt in Darmstadt, ein Prachtbau des Jugendstils um Fassung ringt: das Haus Olbrich. In diesem Jahr feiert das Büro sein 50-jähriges Bestehen. Die Hilferufe ringsum werden eher lauter, das Geschäft mit der Sanierung blüht. Das war nicht immer so, sagt Geschäftsführer Hans Rittmannsperger, Jahrgang 1971.

Beim Gespräch im ruhigen Hinterhof des Bessunger Bürobaus erinnert er sich an den Beginn in den Siebzigern. Alles sollte modern wirken, Altbauten galten noch nicht als schick. Lieber Kunststoff-Fenster statt Holzrahmen, bloß keine Sprossen. Das sahen die Darmstädter Architekten Jürgen und Gilla Rittmannsperger gern mal anders. In ihrem Wohnhaus am Viktoriaplatz überlegten sie, wie sich neue Fenster mit dem Charme des Gründerzeitbaus verbinden ließen. Hier wuchs auch ihr Sohn Hans auf. Der sagt heute: „Respekt vor der gebauten Umwelt und den historischen Zeugnissen, das liegt in meiner DNA.“

Es ist zum Markenzeichen des Büros geworden. Behutsames Bauen im Bestand, Erneuerung und Ergänzung mit Augenmaß: Dafür sind die Bessunger ausgezeichnet worden, vom Land Hessen, von der Architektenkammer Thüringen.

Gern werden die Darmstädter für die heikleren Fälle gerufen. Wie bei der Sanierung der Alten Synagoge in Erfurt, eine der anspruchsvollsten Aufgaben, an die sich Hans Rittmannsperger erinnert. „Tausend Jahre Baugeschichte, Zeugnisse aus fast allen Epochen sind da ablesbar.“ Diese Kostbarkeit wieder in Stand zu setzen, dabei aber die brüchigen Schichten nicht zu übertünchen: Dieser Spagat war von den Architekten gefordert. Ein neues Foyer haben sie auch noch zugefügt – in respektvollem Abstand.

Längst traut man Rittmannsperger Großes zu. Aufgaben wie die Sanierung der Erfurter Altstadt haben sie begleitet – nach der Wende ein abrissreifes Quartier, jetzt ein Touristenmagnet. Für das Unesco-Welterbe Gartenreich Wörlitz bei Dessau haben sie den Rahmenplan für die Denkmalpflege ausgearbeitet, ebenso für die mittelalterlich geprägte Stadt Quedlinburg. Dom zu Erfurt, Bibliothek der Anna Amalia Bibliothek Weimar, Jagdschloss Kranichstein: Die Liste der prominenten Patienten ist inzwischen lang und namhaft.

Die Bessunger sehen sich heute vor allem als „Sachwalter des alten Baubestands“, sagt der Geschäftsführer. Ein Anspruch, den sie auch im Gespräch mit den Bauherrn immer wieder erklären müssen. Die Sensibilität dafür, sagt der Geschäftsführer, habe seit Gründung des Büros deutlich zugenommen.

Umso weniger verständlich für ihn, wie die Nachbarn in Frankfurt sich unlängst eine „neue Altstadt“ gebaut haben. Der Versuch, alte Gebäude 70 Jahre nach ihrer Zerstörung zu rekonstruieren, das gibt für ihn keinen Sinn: „Wir verwässern das, was wirklich noch original ist, wenn wir das zu rekonstruieren versuchen, was wirklich weg ist.“ Mit dieser Haltung hat das Büro auch in Darmstadt einige prominente Bauten saniert und maßvoll ergänzt. Der „Goldne Löwe“ in Arheilgen, das Innere des TU-Hauptgebäudes an der Hochschulstraße samt Köhlersaal, das Innere des Amtsgerichts am Mathildenplatz in heller historistischer Pracht. Da geht es nicht nur um den Blick aufs große Ganze, sondern aufs Detail.

Monatelang stritt man sich bei der Sanierung der Bessunger Knabenschule um die Frage, wie der 140 Jahre alte Putz wieder anzurühren sei und wie das zarte Grün von einst darauf halten könnte. Beim Haus Olbrich, Symbolbau auf der Darmstädter Mathildenhöhe, sind im Moment die blau-weißen Ornamentfliesen an der Fassade in Arbeit, vom Rest der Generalsanierung in dem angejahrten Jugendstilbau zu schweigen. Auch da gilt für Rittmannsperger: „Authentisch bleiben“, das Alte würdigen, das Neue klar erkennbar machen. „Wenn wir anfangen würden, Olbrich nachzubauen, verliert der Rest an Authentizität.“

Quelle: Darmstädter Echo (5.9.2019)